Nachrichten Aus Einem Kalten Land: Roman by Cullen Robert

Nachrichten Aus Einem Kalten Land: Roman by Cullen Robert

Autor:Cullen, Robert [Cullen, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783502517474
Google: ZGSAAAAACAAJ
Herausgeber: Scherz
veröffentlicht: 2000-05-14T22:00:00+00:00


17

Der Mann hatte gesagt, er heiße Wladimir, aber noch bevor er den Mund aufmachte, hatte Bykow gewusst, der war kein Russe. Groß genug war er, aber die braunen Augen über der Adlernase standen zu eng beieinander. Der Mann hatte ein Fuchsgesicht – voller Tücke.

Bykow hatte noch nie einen Russen gesehen, der so aussah. Bei Russen war der Augenabstand größer. Ein Russengesicht mochte einfältig wie ein Ochse sein, hündische Treue oder wölfische Wildheit widerspiegeln und bisweilen leuchten vor Intelligenz, aber so eine Visage hatten Russen nie.

Kaum hatte der Kerl den Mund aufgemacht, hatte Bykow gewusst, woran er bei ihm war. Er hatte einen Akzent wie einer aus einem der ehemaligen sozialistischen Bruderländer, der sein Russisch in der Schule gelernt hatte und mit slawischen Vokalen und Konsonantenhäufungen aufgewachsen war. Also war er entweder Deutscher oder Rumäne, aber für einen Deutschen hatte er einen zu dunklen Teint. Wahrscheinlich, entschied Bykow, ein Veteran der Securitate, der jetzt schwere Zeiten durchmachte. Tschawtschawadse kannte Dutzende von denen und wusste mit großem Geschick zu finden, wen er gerade brauchte.

Zum Glück war der Mann, wie Bykow sah, für seine Rolle bestens ausstaffiert, mit einem Kamelhaarmantel und einem anthrazitfarbenen Zweireiher, der von einem Herrenschneider in London oder Frankfurt stammen mochte. Und er hatte einen unauffälligen, aber teuren Aktenkoffer aus handgearbeitetem Spanischleder dabei. Wie Bykow wusste, beurteilten die Russen Leute immer noch danach, was sie anhatten und was sie mit sich herumtrugen.

Das Auto, ein Mercedes, kam vor dem Haupteingang zum Hotel Jewropeiskaja zum Stehen. Bykow machte gerade Anstalten, seine Beifahrertür zu öffnen, doch der Rumäne hielt ihn mit sanftem Druck auf den Unterarm davon ab.

»Warten«, sagte er.

Nach zehn Sekunden kam der Portier mit verdrossener Miene durch die dünne Schicht Schnee geschlurft, der seit Mitternacht gefallen war. Er riss den hinteren Schlag auf. Wladimir stieg aus, Bykow folgte. Er fragte sich, ob es klug war, den Portier hinaus in die Kälte zu zwingen. Erhöhte das denn nicht die Wahrscheinlichkeit, dass er sich an ihre Gesichter erinnerte? Oder war dies die Art, wie sich ein deutscher Geschäftsmann gab? Er musste sich darauf verlassen, dass Wladimir Erfahrung hatte und genau wusste, was er tat.

Soweit er sagen konnte, zogen sie keine Blicke auf sich, als sie die Hotelhalle betraten. Obwohl es fast ein Uhr nachts war, war die Bar immer noch gut besetzt. Leute aus dem Westen, erinnerte er sich, kamen aus Zeitzonen, wo es jetzt erst Abend oder Spätnachmittag war. Rasch tastete er die Bar mit Blicken ab. Er sah weder Marina noch Duxbury. Hatte er auch nicht erwartet. Aber vergewissern musste er sich.

Sie stiegen in den Aufzug und fuhren hinauf in den sechsten Stock. Marinas Angaben zufolge hatte Duxbury Zimmer 614. Links den Flur hinunter war es die zehnte Tür. Bykow zog die Generalcodekarte vom Jewropeiskaja aus der Tasche, die er sich schon vor Monaten beschafft hatte, wie er auch Generalschlüssel für sämtliche Touristenhotels von St. Petersburg besaß.

Die Diode über dem Schloss blinkte grün, und sie traten ein. Das Doppelbett war frisch bezogen, die Decken aufgeschlagen, und ein Stück Schokolade lag auf jedem Kissen.



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